Was wir denken ist nicht wahr. Es ist lediglich ein von unseren Gedanken suggeriertes Szenario, das, wenn wir es glauben, für uns zur Realität wird. Unschuldig passiert es uns immer wieder, dass Dinge im Außen so verdammt real wirken, dass wir darauf reagieren wollen. Wir würden nicht im Traum daran denken, dass es sich hierbei nur um illusorische Gedanken handelt (die wir durch unser Bewusstsein jedoch als real erleben). Dennoch ist es so. Stell dich darauf ein, dass deine Gedanken dich immer wieder in Versuchung bringen werden. Mit der Zeit wird es dir aber so wie mir in der nachfolgenden Situation gehen, die Ende 2016 passiert ist: Du merkst schneller, was vor sich geht.
Anmerken möchte ich, dass es sich hierbei um nichts weiter als eine etwas unglücklich gelaufene Kündigung einer sehr geschätzten Teilnehmerin an meiner Schule des Lebens handelte (später wurde sie wieder meine Klientin, und wir sind bis heute befreundet). Dennoch bereitete mir mein eigenes Denken solch immense Schmerzen, dass es kaum auszuhalten war. Seitdem sich aber mein Denken geändert hatte, konnte ich diese Schmerzen selbst gar nicht mehr nachempfinden.
Daher bin ich sehr froh, dass ich den wellenartigen Verlauf meiner Gefühle während dieser Nacht damals „live“ mitgeschrieben habe. Zwischen den Notizen (im Text unten durch Absätze getrennt) lagen manchmal Minuten, manchmal Stunden. Immer wieder kamen mir frische Gedanken, und am nächsten Tag war ich darüber hinweg.
Tagebuch einer schmerzlichen Erfahrung
Der Schmerz bohrt sich tief in meine Magengrube. So herbe enttäuscht war ich schon lange nicht mehr. Hatte ich so viele Erwartungen? Tränen in den Augen, ist mir doch klar, dass alles, was ich über die Situation weiß, nicht der Wahrheit entspricht. Mein Gefühl, wenn auch noch so schmerzhaft, kann nicht der Wahrheit entsprechen – bis ich wieder Klarheit habe. Ich weiß, solange ich persönliche Gefühle habe, fühle ich nichts als mein persönliches Denken. Und dennoch tut es weh. So gut zu wissen, dass es vergehen wird. So gut zu wissen, dass es genau so sein darf. Der Schmerz bohrt sich tief in meine Magengrube.
Er kommt in Wellen. Immer, wenn ich wieder etwas Frieden fühle, kommt die nächste Welle. Inzwischen zerreißt es mir mein Herz. Immerhin, es ändert sich schon. Während es mich zuerst so tief in meiner Mitte traf, fühle ich den Schmerz jetzt schon viel weiter oben.
Ich wünschte, ich könnte mein Denken sehen. Das ist die Hölle. Doch tappe ich völlig im Dunkeln, was mich so sehr schmerzt. Irgendwie muss es sich um mich drehen. Ich denke, „Oh Gott, jetzt kann ich die Schmerzen einer Mutter verstehen, die sie empfindet, wenn ihr geliebtes Kind sich von ihr abwendet.“ Mir zerreißt es das Herz.
Faszinierend, wie höllisch schmerzhaft unser Denken sein kann! Wann wird es sich wieder ändern? Ich höre mich beten, „Bitte lass mich sehen, was es ist, damit ich wenigstens daraus lerne!“
Bittere Tränen brennen in meinen Augen. Etwas leichter ist mir. Doch Fragen drehen sich im Kreis. Das kann noch klarer werden.
Plötzlich die Erkenntnis: „Das ist wie Liebeskummer!“
Sie will mich nicht. So wie ich bin, bin ich nicht gut genug. Das kann doch nicht wahr sein!
Frieden.
Die nächste Welle bringt noch etwas mehr zum Vorschein: „Ich habe mein ganzes Herz gegeben – und sie verlässt mich doch. Was habe ich falsch gemacht? Alles meine Schuld.“ Aber kann ich mehr als alles geben? Es tut mir leid, dass ich nicht perfekt bin. Das schmerzt so arg – es kann nicht wahr sein.
„Muss ich es halt besser machen.“ Gott, hier sind wir wieder! Alles war nicht gut genug. Ich drehe mich im Kreis meiner eigenen Illusionen.
Es schießt mir in den Sinn: „Man kann sich nicht aussuchen, was man denkt.“ Puh, mindestens weiß ich, dass ich in einem von mir selbst kreierten Film bin! Das macht es einen Tick leichter. Ich kann nicht fassen, dass mich das so mitnimmt.
„Nenn mich nicht ‚Liebes‘, das schmerzt so!“ Gott, das berührt mein tiefstes Trauma! Jetzt ist es mir klar! Ich war doch erst zwei Jahre alt, kein Wunder, dass es mich so tief verletzt. Es öffnet alte Wunden!
Ich denke, „Wenn ich da durch bin, verliert es an Macht.“ Irgendwann werde ich dir dankbar sein.
Jetzt gibt es schon Momente, wo alles okay ist. Ich darf nur nicht drüber nachdenken.
Wow. Was alles hochkommt. „Dass ich es nicht wert bin, geliebt zu werden. Keiner will etwas mit mir zu tun haben!“ Lauter alte Glaubenssätze.
Alles tut weh. Es lässt mich demütig werden, wie real ich diese uralten Gefühle mit allen Sinnen spüre. Kein Wunder, dass wir uns von unseren Gedanken immer wieder täuschen lassen. Eine absolut reale Illusion. Und mein kleines „Ich“ voll mittendrin.
So gut zu wissen, dass ich nichts tun muss. Es wird vorbeigehen. Früher oder später.
„Es hat nichts mit mir zu tun.“ Nur mein Denken dreht sich um mich. Daher die Schmerzen! Erleichterung macht sich breit. Ich stehe jetzt auf, was für eine Nacht!
„Ich glaub dir nicht, dass du mich liebst! Keiner liebt mich! Warum sollte jemand mich sonst verlassen, wenn er mich liebt? Nur, weil ich etwas falsch mache!“ Mein Gott, was das für Formen annimmt, wenn man so jung anfängt, sowas zu glauben? Es kann nicht wahr sein!
Ich kann nicht glauben, was das für einen Unterschied macht zu wissen, dass das alles ein Film alter Gedanken ist! Was hätte ich früher daraus für ein Drama gemacht. Hier weiß ich mit Gewissheit, dass alles gut ist. Genau so. Trotz all der Gefühle. Echter Wahnsinn.
Ich bin jetzt überm Berg. Zwar kann ich den Nachhall der schmerzlichen Gefühle durchaus noch spüren. Jedoch ist es wieder völlig klar:
Jenseits all des Persönlichen
gibt es keine Schmerzen.
Das Auf und Ab der Gefühle durchschaut, gesteuert von meinen Gedanken, die sich um nichts als die Wichtigkeit des kleinen „Ichs“ drehen. Es wird sich noch völlig im Sande verlaufen.
Gegen Mittag weiß ich: „Es ist, was es ist. Wie ich persönlich das empfinde, ist völlig irrelevant.“ Gerade kann ich noch nicht einmal mehr nachempfinden, was ich da gefühlt habe! So krass, wie das Denken sich so schnell ändern kann. Ich freue mich sogar darauf, wie sich jetzt alles entwickeln wird und bin dankbar für das, was ich gelernt habe. Es verblüfft mich immer wieder.
Was ich mit dieser Schilderung nicht sagen will, ist, dass es da „alte“ Gedanken aufzuräumen gibt. Es war einfach nur so, dass mir im Laufe der Nacht meine alten Denkgewohnheiten (mal wieder) begegnet sind. Es kann interessant sein, diese zu sehen und zu verstehen, warum wir wie fühlen. Aber es ist kein notwendiger Schritt, um über unsere Gefühle hinwegzukommen.
Was in dieser Nacht bemerkenswert war, war meine mal mehr und mal weniger präsente Gewissheit darüber, dass meine Gefühle „nicht wahr“ sein konnten. Oder genauer gesagt, dass das, was sie mir suggerierten, keine Wahrheiten waren, obwohl ich sie mal mehr und mal weniger intensiv fühlte.
Zwischendurch gab es immer wieder Zeiten von Ruhe und tiefem Schlaf. Oft konnte ich, wenn ich wieder aufwachte, immer wieder andere Gedanken mit ihren dazugehörigen Gefühlen ausmachen und war erstaunt, wie oft sie sich wandelten. Dass sich meine Gedanken änderten, war keine Arbeit, ich konnte einfach beobachten, wie es passierte. Ich ging raus und rein aus den konditionierten Gedanken, die sich allesamt um mich drehten, und fühlte sie. Ich musste sie nicht glauben. Trotz aller Schmerzen wusste ich irgendwo auf einer tieferen Ebene, dass ich einen Film meiner eigenen Gedanken durchmachte. Schließlich klärte sich der Geist mehr und mehr, bis ich wieder Klarheit hatte und es mir wieder gut ging.
Diese Veränderung hängt nicht davon ab, dass wir sie – wie ich in dieser Situation – „live“ miterleben. Sie passiert uns auch oft, während wir einfach nur schlafen: Am nächsten Morgen fühlen wir uns besser, obwohl sich im Außen nichts geändert hat. Unser Denken hat sich von ganz alleine gewandelt.